Embrun – Col du Parpallion

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Eine Zusammenarbeit mit Kai Sypniewski für das Magazin Motorrad Abenteuer

Foto: Carsten Scheibe, Kai Sypniewski
Text Kai Sypniewski, Carsten Scheibe

Titelbild: Carsten Scheibe

 

 

 

Rund um den Parpaillon, ein staubiges Vergnügen!

Endlich ist es wieder soweit! Viel zu viel Zeit verstrich, ohne das monotone Surren der groben Endurobereifung unter dem Motorrad zu fühlen. Unendlich wähnende Dunstfahnen hinter uns zu lassen und am Abend voller Glück das Knirschen vom Staub des Tages zwischen den Zähnen zu spüren. Erneut zieht es Carsten und mich in die Einsamkeit der Berge hinaus. Christoph und Tobias lassen sich nicht zweimal bitten und sind sofort voller Begeisterung mit dabei. Vorsorglich gebe ich nur das erklärte Ziel bekannt: Col du Parpaillon auf 2780 Metern Seehöhe! Die Mythen und Sagen rund um den gleichnamigen Tunnel behalte ich jedoch vorsorglich für mich!

Der Bau des Durchbruchs begann im Jahre 1891 und fand auf Grund der hochalpinen Verhältnisse erst 20 Jahre später seinen Abschluss. Nach Fertigstellung verbindet dieser die Gemeinde La Condamine-Châtelard im Ubaye-Tal mit dem Ort Embrun im Durance-Tal. Auf 2632 Metern Höhe gelegen, ist dieser Durchgang mitunter ein Garant für spektakuläre Abenteuerfahrten. Das eher kleinere Handicap der beiden Passrampen ist wohl der lehmige Boden bei feuchtem Wetter. Diese verwandeln sich dann recht schnell in Rutschbahnen. Auf Grund der Höhenlage kann selbst im Sommer der Untergrund im Tunnel immer noch gefroren sein und zu einer 520 Meter langen spiegelglatten Schlitterpartie werden. Auch berichtet man von unendlich langen Pfützen mit diffusem Untergrund. Unterhalb des Wasserspiegels wechselt herabgefallenes Geröll sich mit schmierigem Schlamm ab und die Beschaffenheit des Untergrunds lässt den Piloten stets vollkommen im Unklaren. Von all diesen Berichten lasse ich mich nicht schrecken und bringe selbst Licht in den Tunnel der Geschichten.

Das sonnige Wetter in Embrun meint es gut mit uns, bittet förmlich zum sofortigen Aufbruch. Kurz vor der Abfahrt outet sich Tobias als unser Enduro-Neuling und spricht: „ Außer ein paar Feldwege bin ich noch nicht Offroad unterwegs gewesen! Lasst uns zuerst einmal eine kleine gemeinsame Runde zum Eingewöhnen fahren!“ Für mich genügt ein kurzer Blick auf die Karte, um den Col de la Bonette zum Warmfahren als besten Ersatz anzubieten. Wie beim Synchronschwimmen nicken alle gemeinsam das vorgeschlagene Ziel einstimmig ab. Nun beginnen wir unser kleines Offroad Abenteuer hilfsweise mit einem asphaltierten Höhepunkt. Als „Höchste Straße Europas“ gehandelt, ist diese Aussage auch eine Frage der Ansicht. Noch höher geht es in Österreich auf die Ötztaler Gletscherstraße hinauf, ist allerdings eine Sackgasse. Ebenfalls eine Stichstraße führt auf den Pico del Velenta in der Sierra Nevada empor, welche jedoch ohne Sondergenehmigung nicht befahrbar ist. Von all diesen Definitionen lassen wir uns nicht beirren und kurven mit 2.802 Meter einem der höchsten befahrbaren asphaltierten Punkte in den Alpen entgegen. Mühsam stampfen wir mit knarzenden Motorradstiefeln die letzten Höhenmeter zur Aussichtsplattform auf den 2862 Meter hohen Gipfel entgegen. Von hier bietet sich ein eindrucksvolles 360 Grad Panorama auf die Geröllwüste des Nationalpark Mercantor. Das erste großartige Ziel hält uns stillschweigend in den Bann. Nach einer gefühlten Ewigkeit müssen wir uns wehmütig von dieser atemberaubenden Landschaft losreißen. Zutiefst beeindruckt dreht Christoph voller Inbrunst stillschweigend auf der Aussichtsplattform eine Abschiedsrunde bevor wir wieder auf die Motorräder klettern, um der ersten Schotterschicht entgegen zu fliegen.

Die Gemeinde La Condamine-Châtelard verschwindet auf dem noch befestigten kurvigen Geläuf der D29 rasch im Rückspiegel. Inmitten eindrucksvoller Landschaften berühren die Seitenständer an der Kapelle Sainte-Anne den Boden zu einer Rast vor dem Aufstieg. Leckeres französisches Baguette mit Salami und Käse dient zur Stärkung. Nochmals werden mahnende Worte, besonders an unseren Offroad Beginner Tobias, für unsere Mitstreiter gesprochen. Alle sollen vorsichtig fahren, damit wir gesund und munter abends noch zusammen sitzen können. Begleitet von strahlend blauem Himmel, samt schönstem Sonnenschein, stürzen wir uns dann voller Tatendrang in den ab hier beginnenden Schotter. Vorerst wird die gut befahrbare Piste noch von Bäumen rechts und links des Wegesrand gesäumt. Den Kampf mit der Höhe verlieren diese dann, um der kahlen Landschaft irgendwann die Oberhand zu überlassen. Jetzt katapultieren uns steile, steinige Serpentinen immer weiter in die Höhe und geben den Blick frei auf die bizarren Felsformationen. Die groben Stollen der Bereifung befördern Geröll mit einem hellen Klang des Einschlages an den Motorschutz und uns auf das Hochplateau hinauf. Hier ist endlich das sehnsüchtig anvisierte Ziel zum Greifen nahe. Über dem Eingangsportal befindet sich der große Schriftzug „Tunnel du Parpaillon“ und der gähnend schwarze Schlund lässt kaum das Ende dessen erkennen. Wir Stürzen uns jetzt voller Tatendrang gemeinsam in das Abenteuer Erde! Anfangs noch ausgemauert, überwiegt bald die Natur-Steindecke über unseren Helmen. Glücklicherweise hat der Sommer den teils vereisten Boden bereits in feuchten Untergrund verwandelt. Schmieriger Bodenbelag und immer wieder wegrutschende Räder mahnen zur besonnenen Fahrweise. Größere Wasseransammlungen lassen keinen Rückschluss auf den zu befahrenden Untergrund zu. So manches unsichtbar gewordenes Geröllstück versetzt das Vorderrad seitlich, um dann nach dem ersten Schrecken noch beherzter den Lenker anzupacken und gegenzulenken. Vorsichtig steuert jeder seine Enduro durch den glitschigen Matsch dem Ausgang entgegen. Nach etwa 500 Metern düsterer Tunnelfahrt nimmt das Tageslicht uns alle gemeinsam wohlbehalten wieder in Empfang. Glücklich und auch erleichtert lassen wir die Motoren vor majestätischer Bergkulisse verstummen. In der Ferne leuchten, unwesentlich höher gelegen, immer noch die schneebedeckten Gipfel uns entgegen, als wollten diese uns mahnend mitteilen: Ihr hattet Glück und wir bescherten Euch eine problemlose Durchfahrt! Keine vereisten Stellen stellten wir euch in den Weg! Ihr hattet die richtige Zeit samt bestem Sommerwetter gewählt! Von daher wünschen wir euch weiterhin eine gute Reise!

Der Tunnelsturm ist mit dem ersten Anlauf geglückt und das durchmanövrieren auf spiegelglattem Eis blieb uns glücklicher weise erspart. Voller Elan vernichten wir mittels einiger Serpentinen einiges an Höhenmeter. Die bereits tief stehende Sonne zeichnet die Konturen des Abends an den Felswänden bereits deutlich ab. Die Schatten lassen die ausgewaschene Piste jetzt doppelt so tief erscheinen. Kühe muhen uns mit großen Kulleraugen neugierig an, während die Milchbauern die Melkanlagen für ihre abendliche Aufgabe vorbereiten. Die Herde drängelt sich routiniert bereits vor dem Eingangsportal zur Zapfanlage. Zurück in unserer Unterkunft machen wir es denen gleich, allerdings mit einem „Einlaufbier“. Das Bier und Frankreich wie Zucker und Salz sind, sollte hinlänglich bekannt geworden sein. So schmückt für diesen Abend ein Hauswein samt einer Flasche Liqueur de Châtaigne aus dem Hause Jean Gauthier köstlich unseren Tisch.

Der Morgen badet die umliegenden Berggipfel in ein magisches Licht. Der geglückte Gipfelsturm lässt uns gemeinsam den Tag bedächtig beginnen. Typisch französisches Baguette ziert den Frühstückstisch und die übrig gebliebenen Reste dann in den Rucksack. Der sanfte Druck auf dem Anlasserknopf erweckt auch die Motoren endlich zum Leben. Der Lac de Serre-Ponçon mit seinem azurblauen Wasser begleitet uns auf etwa 20 Kilometern bis zum Einstieg bei Espinasses. Wir kehren dem Gewässer den Rücken zu, verlassen die D900B, um ab hier durch ein kleines Meer von Weinreben zu rauschen. Dunkler Nadelwald saugt uns kurze Zeit später auf, spült uns mittels einiger knackigen Kehren immer weiter in die Höhe und der feste Fahrbahnbelag geht durch ständig folgende Ausbrüche immer mehr in eine staubige Piste über. Mächtige Staubfahnen ziehen die Motorräder hinter sich her. Die Blicke auf die Berge öffnen sich immer mehr. Nur ein orangefarbener Fangzaun, samt dickem Versorgungsrohr, trübt den Blick in die Natur. Gerade noch innerlich verflucht, wird diese optisch unschöne Straßenbegrenzung doch wahrlich kurze Zeit später unser Retter in der Not. Der Dunst der Staubfahnen zieht Tobias augenscheinlich magisch in den Bann. Er dreht beherzt immer lustvoller am rechten Lenkerende, lüftet die Drosselklappe und gibt sich vollends dem staubigen Vergnügen hin. Das jede Gerade irgendwann einmal eine Kurve aufweist, scheint dem Gehirn, vom Dunst scheinbar umnebelt, nicht mehr bewusst zu sein. Das sich der Bremsweg auf losem Terrain auch in eine gefühlte Ewigkeit verlängert, ist wohl seiner geringen Offroad-Erfahrung geschuldet. Der zur Verfügung stehende Bremsweg wird zu kurz, lang um die anstehende Kurve noch zu meistern! Glücklicherweise sind die Reflexe immer noch hellwach und Tobias springt kurz vor dem Einschlag ohne einen Kratzer einfach vom Motorrad ab. Hässliche Geräusche aus Gestein und sich verformenden Metall durchdringen unschön die Luft. Zwischen großen Geröllbrocken und den leuchtenden Fangzaun vergräbt sich das Motorrad neben der Piste in den steilen Abhang hinein. Erleichterung wabert durch die Luft! Man, das war verdammt knapp! Tobias steht ohne eine Prellung, geschweige blauen Fleck, gesund und munter auf der Straße. Sein Motorrad liegt ihm allerdings auf Fahrbahnhöhe förmlich zu Füßen. Der unschöne Fangzaun war unser Helfer! Sonst hätten wir den dicken Brocken aus etwa zehn Metern Tiefe bergen müssen! Mit vereinten Kräften hieven wir zuerst das Vorderrad hinauf, um dann den Hinterbau ebenfalls auf Fahrbahnniveau zu befördern. Wie eine erlegte Sau liegt der Eisenhaufen jetzt im Staub. Der erste Eindruck von der ungewollten Kaltverformung lässt hoffen. Dank eines Kühlers aus Metall ist dort nur eine riesige Delle und enormer Verzug zu erkennen. Der erste Startvorgang befördert Kraftstoffgeruch statt Verbrennungsgase in die Atmosphäre. Das Leeren der Vergaserkammern lässt den Zündfunken endlich wieder überspringen und erweckt den Motor zum Leben. Tobias checkt den Rest des Motorrades sicherheitshalber durch, wechselt in Windeseile den Bremshebel, bis er den blockierten Kühlerlüfter entdeckt. Nach dem Lösen des Wärmeaustauschers samt Kraftstofftank wird das Gehäuse um den Lüfterflügel wieder zurecht gedrückt, bis diese wieder ohne anzuschlagen dreht. Nach dieser ungewollten Zwangspause geht es für uns ebenfalls endlich wieder rund. Der erste Schock ist zwischenzeitlich verflogen, um beherzt weiter unserem auserwählten Ziel entgegen zu stauben.

Der weitere einspurige Weg führt an einer Felswand entlang und erzeugt bei nicht schwindelfreien sicherlich eine erhöhte Ausschüttung von Adrenalin. Dafür schmeichelt die Aussicht auf die Region unter uns umso mehr das Auge. Der Weg steigt immer weiter in die Höhe hinauf, der Bestand an Nadelbäumen lichtet sich und wir schottern uns zum Monte Columbis hinauf. Nur auf 1743 Höhenmetern gelegen, bietet dieser das ganz große Panorama auf die Region rund um Embrun. Der Lac de Serre-Ponçon wird dabei von den weit in den Himmel ragenden Gebirgswelt eingerahmt. Das sind die Aussichten, welche süchtig machen, die weite Anreise rechtfertigen und letztendlich Lohn der Mühe! Zutiefst beeindruckt herrscht Stillschweigen in der Gruppe. Jeder hängt hier oben seinen Gedanken hinterher. Worte fallen nicht all zu viele. Kein großes Oh und Ah ist an diesem Ort zu hören, eher ergreift uns eine lähmende Bedächtigkeit. Voller Inbrunst saugen wir gemeinsam die Szenerie in uns auf und vertrödeln den Nachmittag hier oben in luftiger Höhe. Es ist einfach ein stiller Genuss diese geniale Aussicht zu genießen. Irgendwann müssen wir uns von diesem wunderschönen Ort losreißen, ziehen dann wieder beherzt am Gaskabel und frönen wieder anderen Freuden. Staubfahnen ziehen wir hinter uns her, vernebeln den Blick in den Rückspiegel. Wasserlachen dienen als willkommene Abwechslung und wie ein Pflug teilen die Motorräder diese in zwei Hälften. Fahrfreude und Dynamik kommen nach dem morgendlichen Dämpfer wieder auf und wir toben zurück nach Embrun. Dort angekommen, erfolgt die Tourenplanung für den nächsten Tag. Aber halt, was war das? Tobias spricht: „Wir machen morgen eine Pause!“ Christopher und Tobias brauchen eine Auszeit!? Sind das die Nachwehen des am Morgen falsch eingeparkten Motorrades oder gehen die Kräfte beim Offroadfahren schneller zur Neige als vermutet? Ohne diese Fragen letztendlich zu klären, ziehen Carsten und ich am nächsten Tag alleine los. Unsere Routenauswahl fällt auf den Col de Valbelle. Dieser wird sogar auf dangerousroads.org gelistet und lässt somit aufhorchen. Verspricht dieses doch oftmals ordentlich Offroad Fahrspaß. Dass diese Strecke uns wieder mit atemberaubenden Panoramen die Luft nimmt, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Bevor wir im heutigen Doppel starten, versorgen wir uns vorausschauender Weise mit Proviant. Zu Frankreich gehören Baguette, Käse und edle Wurst zum Gaumen schmeichelnden Aushängeschild des Landes. Da wissen die Franzosen ganz genau was nicht nur als Wegzehrung äußerst lecker schmeckt. Das gehört für Carsten und mich einfach mit zu einer zünftigen Offroad-Tour dazu, wie zum Teufel das Feuer der Hölle! So treten wir ein in die „Fromages et Traditions“ und durchleben die Qual der Wahl der Sinnesverführungen. Produkte der Region Haute Alpes werden wohl sortiert in einem alten Haus zum Verkauf feil geboten. Lokale Kunsthandwerker dürfen hier ebenfalls ihre Handarbeit mit anbieten. In einem gemeinsamen Raum werden all die kulinarischen Genüsse wie Honig, Käse, Wurstwaren, Likör, Wein und vieles mehr wie auf einer kleinen genussvollen Insel präsentiert. So verführerisch viele Gaumenschmeichler sich auch bemühen, unser Platz ist begrenzt und die Aufgabe klar umschrieben: Für die Pause soll es taugen! So findet nach ausführlicher Beratung samt Verkostung nur eine kleine Salami und ein passendes Käsestück neben dem Baguette Platz in der Hecktasche.

Langsam, ganz langsam lassen wir den Tag weiter vor uns hin plätschern. Keine Hektik, kein Drängeln treibt uns an. Wohl wissend, dass der Proviant gebunkert ist, brausen wir dem Einstieg auf der D139 entgegen. Die kleine Kapelle samt den kaum spürbaren „Col de la Coche auf 1791 Metern Höhe ignorieren wir, da dieser ohnehin kaum spürbar vorbei rauscht. Der Asphalt verliert sich im Staub, der Wald lichtet sich und gibt den Blick für den beginnenden Augenschmaus frei. Kahle Bergspitzen erheben sich über dem satten Grün der Nadelgehölze und die sich immer öfters präsentierenden Panoramen umschmeicheln die Seele. Eine gut befahrbare Piste und kleinere Wasserrinnsale werden von den Grobstöllern voller Fahrdynamik durchpflügt. Immer höher schlängelt sich die Piste in die Höhe, um mit dem „Col de Valbelle“ den Vorhang zu einem ganz großen Kino zu öffnen. Die Bergwelt präsentiert sich wie auf einer 180 Grad Leinwand, der Schnee des Winters hängt immer noch in den Spalten fest und einzelne Wolken hängen wie Zuckerwatte darüber. Ein Blick der süchtig machen kann und uns inne halten lässt. Vor solch einem grandiosen Blick packen wir unser mitgebrachtes Vesper aus und genießen gemeinsam die Einsamkeit in der Höhe. Leise senkt sich die Sonne dem Horizont stetig entgegen. Es wird Zeit zum Aufbruch. Bei dieser Kulisse führt kein asphaltierter Weg mehr zurück und wir erklären diese Strecke in Saint-Marcellin für uns zur Sackgasse! Voller Freude stauben wir die bereits bekannte Piste zu unserer Unterkunft zurück. Mit Begeisterung berichten wir den daheim gebliebenen vom grandiosen Pass und nach der kleinen Auszeit sind Christoph und Tobias morgen mit Begeisterung wieder mit dabei, denn so richtig nett ist es nur im Quartett!

Von der aufgehenden Sonne tiefrot angestrahlte Wolken schieben sich einer Lawine gleich über die Bergspitzen. Verspricht  dieses beeindruckende Ambiente des Morgens oftmals jedoch nicht das schönste Wetter für den Tag. Mit diesem feuernden Inferno hat der Stern scheinbar seine gesamte Energie des Tages aufgebraucht. Kühle und ein wolkenbedeckter Himmel bestimmen kurze Zeit später beim Druck auf den Anlasserknopf die Szenerie. Der wolkenverhangene Himmel lässt uns über das weitere Wetter vollkommen im Zweifel. Daher wählen wir als erstes Ziel bei Le Serre einen recht nahen Einstieg in das staubige Vergnügen. Der Asphalt wechselt danach zu einer fein gekiesten Piste, um sich durch Kiefer- und Tannenbäumen hindurch immer energisch nach oben zu schlängeln. Lose grobe Steine an einer linken steilen Auffahrt lassen uns den weiteren Weg nach rechts wählen, um einer kaum befahrene Piste weiter zu folgen. Linker Hand öffnet dann ein Rastplatz mit dem Hinweisschild „Belvédére la Para“ auf 1697 Metern Höhe den Blick in die Ferne. Eine Natursteintreppe führt ein paar Stufen in die Tiefe und wird von einem halbkreisförmigen Geländer begrenzt. Die auf einem Hügel samt steiler Abbruchkante gelegene Gemeinde Embrun liegt uns von hier oben zu Füßen. Von diesem Aussichtsbalkon lässt sich der Stausee Lac de Serre-Ponçon fast in seiner gesamten Länge einsehen. Eine halbrunde Orientierungstafel gibt Auskunft auf die umliegenden Orte und Gipfel. Dieser wunderschöne Ausguck lädt förmlich zu einer längeren Rast ein. Die Wolkenbänder hängen an den Berggipfeln fest, um vom Wind immer wieder zerrissen zu werden. Sonnenstrahlen tauchen dann für kurze Zeit in das weite Tal ein und werden dann schnellstmöglich von der weißen Masse wieder verdeckt. Wir schottern irgendwann weiter, genießen immer wieder die sich bietenden Ausblicke, machen dank eines Navigationsfehlers eine weitere Rast an einem Wasserfall, um bei Puy-Saint-Eusèbe wieder festen Bodenbelag unter den Stollen zu spüren.

Das Wetter scheint sich trotz zugezogenem Himmel recht stabil zu halten. Eine kurze Pause lässt uns schnell ein neues Ziel finden: Die französischen Dolomiten! Die Dolomiten in  Frankreich!? Ja das gibt es! In der Nähe der Réallon Ski Station befindet sich eine Stichstraße, welche mit Zinnen auf 2.100 Metern über dem Meeresspiegel aufwarten kann. Einstimmig wird dieses angenommen und wir fliegen dem Ort Réallon entgegen. In diesem stochert unser Navigator Carsten ein wenig herum bis er den entscheidenden Einstieg in die Piste findet. Der anfängliche Weg ist leicht befahrbar und mit ständig tiefer werdenden Wasserablaufrinnen durchzogen. Ich mache mir zwischenzeitlich einen Spaß daraus diese mit einem seitlichen Anlieger zu umfahren. Kurze Zeit später steigt die Piste samt groben Schotter konsequent in die Höhe. Ich sehe bereits im Voraus, dass Carsten vor mir eine ungünstige Linie wählt und viel zu langsam fährt. Eine doppelte Wasserrinne versperrt den Weg und diese jetzt noch mit einem seitlichen Anlieger schwungvoll zu umfahren, ist einfach nicht mehr möglich. Wie vor einer Abbruchkante steht er mit seiner BMW 800 GS fest. Auch der Kopf schreit Stopp! Aus vorbei und Schluss! Nichts geht mehr! Gemeinsam bugsieren wir sein Motorrad nach unten auf festem Grund. Aus Sicherheitsgründen brechen wir das anvisierte Ziel ab, wollen wir doch alle wieder wohl behalten nach Hause kommen!

Viel zu schnell verging die schöne Zeit! Nur ein letzter Fahrtag bleibt uns in dieser wunderschönen Region noch übrig. Das der Einstieg dazu noch an der Käserei „Fromages et Traditions“ liegt, schmeckt uns doppelt so gut. Wandert dort je ein Stück „Bleu du Queyras“ und „Le Berger“ für Unterwegs in den Proviantrucksack. Der gut zu befahrene Streckenverlauf entspricht wieder ganz unserem Geschmack. Kleine Wasserfälle zieren den Weg, unzählige Rastplätze laden zum Picknick ein und immer wieder eröffnet die Piste weite Ausblicke auf die Region, bis eine markante Felsformation unseren Blick fesselt. Christoph nennt diese einfach den Toblerone-Berg und voller Freude tanzt er mit seiner kleinen Honda CRF durch Bachdurchfahrten und Staub, bis wir direkt am Fuße dieses Fels stehen. Direkt davor erscheint dieser einfach nur noch gigantischer! Dieser riesige Fels beendet leider auch unser kleines Offroad-Abenteuer. Voller Wehmut lassen wir die letzten Kilometer bis Embrun unter unseren Reifen wegsurren. Eins wissen wir nach dieser Tour jedoch genau: So viel Zeit wird bis zur nächsten Schotterschicht nicht vergehen und wir haben den nächsten gemeinsamen Termin bereits gefunden!