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Eine Zusammenarbeit mit Sebastian Rochow für das Magazin Motorrad Abenteuer Ausgabe 06 / 2018
Foto: Carsten Scheibe, Sebastian Rochow
Text: Carsten Scheibe
Jenseits von Schweden
In Dänemark lernte ich schon die Vorzüge der Outdoor Übernachtungen in Sheltern kennen. Für viele sind diese Shelter völlig unbekannt, es sind primitive Holzunterstände, die eine Übernachtungsmöglichkeit und Schutz vor dem Wetter bieten. Ich war schon oft in Schweden, war meistens jedoch nicht mit dem Motorrad unterwegs, dieses Land faszinierte mich immer wieder. Kaum eine Ecke südlich des Siljansee war mir unbekannt.
Meinen Mitreisenden Sebastian lernte ich in Marokko kennen, unglaublich, dass er nur 40 km von mir entfernt wohnt. Über Umwege trafen wir uns damals in Kiel wieder. Seitdem verbinden uns das Motorradreisen und die Abenteuer.
Gesagt getan, Schweden im Oktober! Ich kenne Sebastians Spontanität für solche Dinge. Ich stelle meine Reisen sehr gerne unter ein Motto. So gefiel mir schon als Kind „Nils Holgerson“ von Selma Lagerslöf. Warum denn nicht einfach mal diese Route fahren? Zwei Wochen schienen ein bisschen knapp, aber mehr ließen unsere jeweiligen Jobs einfach nicht zu. Wichtig war uns, dass wir uns treiben lassen und keinen Druck im Rücken zu haben, alles zu fahren. Nein – einfach los und schauen.
Die Route wurde grob abgestimmt, im Zweifelsfall „immer den Gänsen nach“, denn die fliegen ja bekanntlich Luftlinie.
Der Abfahrtstermin kam näher, die Sachen waren gepackt, ich holte Sebastian in der Nähe von Eckernförde ab. Der Nieselregen begleitet mich schon, wir hofften, dass es nicht mehr werden würde.
Eine kurze Verabschiedung beim ihm zu Hause, und schon surrten die Stollenreifen wieder unter uns. Solange hatten wir bisher noch keine gemeinsame Reise gemacht, waren bisher eher auf Wochenendtouren unterwegs. Mal sehen wie das mit dem 20 Jahren Altersunterschied so funktioniert. Kaum vor der dänischen Grenze öffnet sich der Himmel. Es ist schon Nachmittag, und wir wollen noch auf direkten Weg hoch nach Grenå in Dänemark. Dort bringt uns morgen am frühen Nachmittag die Stena Line nach Varberg in Schweden. Kurz noch tanken, schnell das Regenzeug drüber! Wer weiß, ob die neuen Klamotten und Stiefel wasserdicht sind. Dann rollen wir weiter, und es regnet und regnet, doch ziehen wir unsere Spur. Wir vermeiden zwar die Autobahn, aber nehmen die gut ausgebauten Straßen, um Kilometer zu fressen und unser entferntes Ziel zu erreichen.
In Vejle angekommen ist es schon dunkel, wir stoppen auf ein Hot Dog und eine heiße Schokolade, um uns aufzuwärmen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis in die Ebeltoft Vik, dort habe ich einige Shelter zum Übernachten heraus gesucht. Einer wird wohl frei sein, denn wir denken nicht, dass die Dänen bei solchem Regenwetter im Herbst draußen übernachten.
Weit gefehlt, mittlerweile ist es 22:45 Uhr, und alle Shelter waren belegt. Was nun?
Auf der Suche durchfuhren wir ein kleines Freilichtmuseum, da war doch etwas zum übernachten dabei. Sebastian traut sich nicht so richtig, vielleicht doch lieber ein Hotel? „Nee“, sag ich, „wenn schon denn schon“. Wieder den einen Waldweg zurück und nach 20 Minuten haben wir das Ziel erreicht. Eine Überdachung, praktisch ein alter Schweinestall, wo Bänke und Tische stehen. Gedacht dafür, dass Wanderer und Besucher dort pausieren können. Ein trockener Kieselsteinboden dient als Schlafstätte. Draußen schüttet es wieder heftig. Schnell ist alles ausgepackt und wir schlafen selig und warm ein. Das fängt ja alles schon mal gut an, ob es in Schweden auch so ist? Schließlich ist das Ziel, jede Übernachtung in einem Shelter zu verbringen.
Nach einem guten Frühstück fahren wir wieder über die Pisten aus dem Wald. Dabei entdecken wir traumhaften Pisten. In der Dunkelheit am Vorabend führte uns nur der Lichtkegel der Motorräder. Schnell gelangen wir zur Fähre, doch haben wir noch Zeit für einen Aufwärm-Kaffee. Die Zeit ruft zur Abfahrt, die Stena Fähre wartet schon auf uns, und schon surren die Stollen auf dem Stahlboden der Fähre.
Endlich rattern die Motoren der Fähre und schon verschwindet Grenå am Horizont, es ist schon reichlich schaukelig. Kaum auf Höhe der Insel Anholt wird das Wetter heftiger, verregnete starke Windböen ziehen über das Wasser und bilden schon ganz ordentliche Wellen. Am frühen Abend laufen wir in Varberg ein. Die Reifen surren wieder aus dem dunklen Schlund der Fähre hinaus in den Regen.
Der Regen zieht uns die letzte Wärme aus den Knochen, jetzt hoffen wir, dass der Shelter, den ich im Vorwege rausgesucht habe, auch nicht besetzt ist. Schnell sind wir von der großen Straße herunter und befinden uns schon „gefühlt“ in der Wildnis. Alles ist dunkel, und die Scheinwerfer zeigen uns wieder den Weg, der Navi gibt uns die Richtung vor. Endlich angekommen, noch 300 Meter in den Wald, Sebastian überholt mich und huscht über eine kleine Steinbrücke und einen Berg hoch, irgendwo da muss der Shelter sein. Ich folge ihm und schon sind wir da. Er ist frei, die Nacht ist gerettet. Schnell wird ausgepackt. Ich kann meinen Augen kaum trauen, so schnell hat mein Mitstreiter schon das Feuer an. Holz liegt genug herum, das Lager für die erste Nacht in Schweden ist fertig. Endlich wieder Lagerfeuer und Gespräche bis spät in die Nacht.
Morgens knistert schon wieder das Feuer, doch es bleibt nicht lange an, da es anfängt, sich einzuregnen. Schnell ein Blick auf die Wetter App, was kommt da denn auf uns zu? Das Tiefdruckgebiet Xavier macht unsere Pläne zu Nichte. Es kübelt von oben, was nur kommen kann. Immer wieder stellen wir uns die Frage, welche Richtung wir am besten einschlagen sollen. Geduldig harren wir im Shelter aus. Wir bauen letztendlich die Strecke um und lassen uns vom Tiefdruckbiet Xavier leiten. Da wo es trocken ist, soll uns der Weg hinführen.
Zwei Wochen Zeit liegen vor uns. Wie vorhergesagt, hört der Regen um 13:00 Uhr auf. Wir zurren schnell die Sachen zusammen und schon knattern die Motoren unter uns. 1 Kilometer Asphalt und wir sind im Schotterparadies. Die Feuchtigkeit hängt extrem im Wald, alles wirkt verschwommen und doch irgendwie wieder elfenhaft. Man muss sich bei dieser Stimmung wirklich nicht wundern, wenn irgendwo ein Troll hinter einem mit Moos bewachsenen Hügel hervor kriecht und uns vor das Motorrad springt.
Alles duftet nach Wald und nassem Moos, kleine Nebelschwaden hängen in den Niederungen. Ein mystischer Wald. So empfängt Schweden uns, tatsächlich grinst uns bald die Sonne an. Ich denke, wir haben alles richtig gemacht, indem wir uns nur ein grobes Ziel gesucht haben. Noch gar nicht so weit gekommen, sehen wir in einer kleinen Ansiedlung einen Landhandel. Neugierig stiefeln wir mit unseren warmen dicken Klamotten in den Laden. Er ist nicht groß. Einmal kurz umgeschaut und schon werden wir von einer älteren Dame mit einem freundlichen „Hej“ gegrüßt. Erst mal schauen, was es alles so gibt, dann was wir mögen. So kam dann Polarbrot, Butter, Marmelade und Grillfleisch in den Korb. Draußen löschen wir noch den Durst und schwingen uns auf die Motorrädern, schon geht‘s wieder Richtung Nordost. Was für wundervolle kleine Straßen. Alles nur Pisten mit Kurven über Kurven, die unser Herz höher schlagen lassen.
Jetzt benötigen wir noch irgendwas zum Angeln, alles in der Hoffnung unsere Speisekarte am Abend zu erweitern. Die Landschaft verändert sich, viel Felder und Wiesen begleiten uns. Hier und dort einzelne Gehöfte und wir kommen auf eine große Straße nach Borås. Schnell entdecken wir einen Angelladen und rüsten uns mit dem notwendigsten an Kunstködern aus. Die Angel mit Rolle liegt schon seit der Abreise im Gepäck. So vergeht die Zeit, und wir haben dringend das Bedürfnis wieder in die Wälder zu kommen. So allmählich müssen wir uns auch Gedanken machen, wo wir über Nacht abbleiben. Da bin ich doch der schwedischen Facebook Gruppe Vindskydds dankbar.
Eine Karte online mit sämtlichen Sheltern in Schweden. Vorsorglich hatte ich mir die GPS Daten herausgezogen und diese als Garmin GPI Datei fertig gebastelt. Online suchten wir einen Shelter via Handy aus, der uns zusagte, und per Navi geht es dann zum GPS Punkt. Mal sehen wie das funktioniert! Der erste ist ein Reinfall, direkt hinter einem Haus, im zweiten in direkter Nähe wohnt ein Obdachloser, da wollen wir nicht stören. Langsam wird es draußen am späten Nachmittag dunkel. Eine Hoffnung ist da noch, hoffentlich finden wir den Zugang. In der Dämmerung fahren wir vorsichtig durch die Wälder, aufgepasst, da springt uns Rehwild vor das Motorrad! Glück gehabt, und weiter geht es durch die Wälder. Ein ständiges rauf und runter, dann endlich ein Abzweiger. Ein schmaler Trail führt uns auf eine Landzunge. Jetzt nur nicht nach links oder rechts abrutschen, und schon taucht unser Shelter auf. Wow, wieder haben wir Glück, denn er liegt direkt am See. Schnell wird Holz gesucht und gehackt, und schon brennt das Feuer. Ein Grillrost liegt herum, kurze Zeit später brutzelt das Fleisch. Was wollen wir mehr?
Morgens ist es schon sehr kalt, kurz vor der Frostgrenze. Ich komme aus dem Schlafsack hervor, der morgendliche Kaffee lockt mich. Kurze Zeit später habe ich den Kaffeeduft in der Nase. Ich genieße den Blick über den See, Sebastian schnorchelt noch in Ruhe vor sich hin. Kein Mensch weit und breit. Es raschelt, Sebastian wird wach und fragt: „Hast du noch heißes Wasser?“ Schon brühe ich ihm einen Tee auf. Danach springt er aus dem Schlafsack, entkleidet sich, rennt auf den Steg vor unserem Shelter und steigt die Treppe hin ab ins Wasser. Ein Schrei, und er ist drin – das scheint wohl ziemlich kalt zu sein! Dann kommt er heraus und sagt „Das fühlt sich gut an, mir ist jetzt nicht mehr ein bisschen kalt.“. Ich schaue ihn mit großen Augen an – kann das sein Ernst sein?
Doch ich lasse mich nicht zweimal bitten und springe aus dem Schlafsack. Meine Klamotten fallen, und ich renne durch die Kälte auf den Steg. Die Treppe hinunter und mir stockt das Blut in den Adern. Kurz waschen und wieder raus, kaum an der frischen Luft durchströmt mich eine innere Wärme. Mein Mitfahrer hat schon wieder das Feuer an. So fängt der Tag gut an!
Die ersten Stunden vergehen wie im Fluge, immer nur Natur pur, die Sonne lacht zwischen durch mal heraus, und wir genießen den Ritt auf den Pisten. So kommen wir nach Karlstad, aber fühlen uns aufgrund der vielen Menschen hier nicht wohl. Stau, unruhiges Treiben auf den Strassen, ständiges halten, das nervt uns. Einiges nördlicher finden wir wieder ein Traumplätzchen. Dieses Mal mit QR Code, wir loggen uns ein und bezahlen insgesamt 9 Euro per PayPal für die Benutzung der Hütte direkt am See. WC und Holzlager liegen direkt in der Nähe. Was wollen wir mehr? Spürbar wird es kälter am See, zum Glück sind wir in einer Hütte, die uns vor dem kalten Wind wärmt. Morgens das gleiche Ritual, und schon geht es weiter gen Norden.
Auf einmal vernehme ich ein metallisches Knacken von hinten, Kilometer für Kilometer kommt es öfter, dann bei jedem Schaltvorgang. Shit – das Geräusch kommt aus der Erinnerung, das klingt nach einem fetten Lagerschaden im Hinterrad. Noch hat es kein Spiel, es kommt die Hoffnung auf, eine Werkstatt zu finden. In Karlstad gibt es eine BMW Werkstatt sagt Sebastian. Luftlinie 40 km, Strecke knapp 65 km. Also zurück! Gefühlt eine Ewigkeit, heraus aus der Pampa, hinauf auf eine der großen Straßen, den größten Gang rein und rollen lassen. Am besten immer schön gleichmäßig. Dank Navi gab es keine Sucherei. Da hab ich mir schon mal auf Englisch alles zu recht gelegt. Hinein in den Laden, tief Luft geholt und mein Englischprogramm abgespult. Doch da kommt ein freundliches: „Jungs, ich schau mir das mal an, fahrt mal von hinten in die Halle!“ Thilo untersucht alles sorgfältig. Am Ende stellt sich heraus, dass das Lager des Kettenradträgers sich verabschiedet hat. Aber leider war kein Ersatzteil da. Was nun? Schnell kam Thilo die Idee, dieses aus einer vorhandenen Maschine auszubauen. Was für ein Glück, dass er so ein Moped da hat. Nebenbei hatten wir viel Zeit zum quatschen. Es interessierte uns brennend, warum er als Deutscher hier oben in Schweden bei BMW arbeitet. Er wollte einfach hier hoch, lernte an der VHS schwedisch, kam aus dem Beruf und packte seine sieben Sachen vor 11 Jahren. Schnell fand er eine Anstellung hier beim BMW Händler in Karlstad und fühlt sich einfach wohl. Den Schritt hat er bis heute nicht bereut.
Das Moped ist fertig, wir bedanken uns für die unkomplizierte Hilfe bis über seinen Feierabend hinaus. Draußen ist es schon dunkel. Wir brauchen noch eine Unterkunft. Das ist kein leichtes Unterfangen bei Dunkelheit über die Pisten zu fahren. Die ersten beiden Anlaufpunkte sind nichts, lange schmale verwurzelte Trails sollen uns zu den Sheltern führen. An diesem Abend ist das nichts für uns. Also geht die Suche weiter, am Långtjärn werden wir fündig. Irgendwann sehen wir im Licht des Mondes einen See vor dem Shelter. Jetzt sind wir aber auch froh, schnell kommt unsere Routine zum tragen und kurze Zeit später liegt das Fleisch auf dem Grillrost. Was für ein aufregender Tag geht zu Ende, mit uns beiden wird es nicht langweilig.
Morgens sind die Sachen gepackt und es führt uns gen Hagfors, wieder alles völlige Pampa und Wildnis. Irgendwo steht dann mal ein Haus an einem kleinen See, die Pisten führen uns direkt in der Sonne den kleinen Seen entlang und wir genießen die Wärme, die zu mindestens das Herz vor Freude erwärmt. Dennoch sind die Temperaturen bei 3°C und der Fahrtwind kühlt uns aus. In Hagfors fallen uns die Plakate der WRC Schweden Rallye auf, die in 2017 hier durchgeführt worden ist, kein Wunder das die Pisten hier oben so traumhaft sind. An einer Tankstelle wärmen wir uns mit heißer Schokolade auf und dann soll es weiter gehen. Zuvor entdecken wir noch ein Angelfachgeschäft und kaufen einige Blinker dazu, in der Hoffnung etwas fürs Abendbrot zu bekommen.
Plötzlich kommt Sebastian beim Abbiegen ins Straucheln und seine GS plumpst sachte auf die Seite. Sofort klappe ich den Seitenständer raus, der Motor geht aus und ich helfe ihm. Schnell gemacht zu zweit! Doch was dann passiert, damit habe ich nicht gerechnet. Ich will meine GS neu starten und höre nicht mal ein Klicken. Der Fehlerteufel hat uns erwischt, gestern das, heute das! Werkzeug heraus, und die beiden Mopeds werden erstmal auf den Bürgersteig geschoben. Ein Deckel muss runter, aber alles sieht gut aus, doch die Batterie ist tot. Okay ich versuche das mit überbrücken. Selbst da geht nichts. Dann kann es nur ein Zellenschluss sein, oder? Wir bauen die Batterie von der anderen GS aus und siehe da, sie springt an.
Doch wo sollen wir jetzt eine Batterie herbekommen ? Sebastian baut seinen Kram zusammen und verschwindet Richtung Baumarkt in Hagfors. Es dauert und dauert, das Telefon klingelt. Er ist in einem Rasenmähermarkt und braucht die Bezeichnung der Batterie und wird an Hand der Typenbezeichnung fündig. Das hier oben praktisch mitten im schwedischen Urwald. Einige Zeit später ist er wieder da, und wir können unser Glück nicht fassen. Kurze Zeit später fliegt wieder der Schotter unter den Rädern, und wir verschwinden in den Tiefen der Wälder.
Die Strecken sind schon sehr unterschiedlich, mal Top Schotter mal richtig grob. Selbst wenn die Gedanken beim Fahren schweifen und die Augen diese wundervolle Landschaften aufsaugen, so ist immer Obacht angesagt. Stunde für Stundefahren wir weiter gen Norden und fahren praktisch gefühlt nur in der Wildnis. Der Nachmittag kommt, und die Suche geht wieder los. Dieses Mal hat es der Trail in sich. Irgendwo ist dann Schluss, und bis zum Shelter sind es oft noch 500 bis 1000 Meter. Das ist nichts für uns.
Dann entdecken wir ein witziges Fahrzeug, mit dem sich Schweden auf den Winter vorzubereiten scheint. Integriert ist eine kleine Maschine mit Bohrer, die die Begrenzungen der Straßen und Wege anzeigt mit den Stangen, damit man bei viel Schnee auch noch auf der Strecke bleibt. Gleichzeitig stellt sich bei uns die Frage, bekommen wir Schnee? Die Temperaturen passen!
Endlich ist etwas gefunden, es sieht aus wie eine große Hütte bei der jedoch eine komplette Wand fehlt. Innen gibt es eine große Feuerstelle mit Abzug. In den Regalen befinden sich leere Schnapsflaschen und verräucherte emaillierte Teekannen. Das Tarp wird ausgepackt, und die offene Wand abgehängt, denn heute wird es kalt werden. Holz ist zum Glück genug da. Etwas später bekommen wir Besuch von zwei hünenhaften Schweden. Vorsichtig beginnt eine Unterhaltung, sie fragen uns was wir hier machen. Schnell ist das Gespräch in Gange. Sie schauen hier einfach nach dem Rechten und erzählen, dass am nächsten Wochenende hier ein Elchjagd stattfindet. Stolz berichten sie, dass hier vor einer Woche mit über 200 Jägern hier über 40 Elche gejagt worden sind. Glücklich bieten wir ihnen einen Schnaps an, den sie dankend entgegen nehmen. Kurze Zeit später sind sie auch schon wieder weg, draußen ist es schon dunkel. Ich gehe noch einmal zum Moped, schalte kurz die Zündung und sehe das wir -5°C Grad haben. Bekommen wir noch Schnee?
Sebastian sagt schon, wenn das morgen auch so kalt ist, sollten wir wieder den Weg Richtung Süden einschlagen. Für ihn ist es einfach zu kalt. Tatschlich ist die Nacht sehr kalt gewesen, ich wache auf und das Feuer brennt schon, Sebastian wärmt sich auf. Auf den Mopeds ist eine Raureifschicht. Wir packen die Sachen und nehmen wieder Kurs gen Süden. Die Pisten ziehen sich, und uns wird kalt. Der nächste Stop liegt in Fredriksberg. Dort erfasst unser Blick das Vildmarks Café. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und bestellen erst einmal heiße Schokolade und dazu zwei Elch-Omelettes. Schnell werden die Akkus der Kameras und die Powerbanks geladen. Einige Zeit vergeht, bis wir wieder aufbrechen.
Die Einsamkeit mit den Pisten hat schon etwas Beruhigendes. Auch wenn es immer wieder das Gleiche ist, sehen die Augen sich nicht satt an den einsamen Gehöften, Seen und Wäldern. Am Nachmittag erreichen wir Örebro und parken die Motorräder direkt an der Fußgängerzone. Schon kommt ein neugieriger, jedoch sehr netter Schwede, und wir kommen ins Gespräch. Als ich ihm berichte, wo wir in der letzten Nacht geschlafen haben, erzählt er uns, dass dort oben eine großes Rudel Wölfe sei. Mit läuft es eiskalt den Rücken runter. Aber anscheinend gab es noch keine Vorkommnisse mit den Tieren zu vermelden.
Am späten Nachmittag bei Einbruch der Dämmerung finden wir einen Shelter. Kaum haben wir alles gerade ausgepackt, bekommen wir schon Besuch von 5 Wanderern. Der Shelter ist definitiv zu klein für uns alle. Sie haben es zu weit bis zum nächsten Shelter und bleiben direkt in unserer Nähe und bauen ihr eigenes Camp auf. Der Abend wird nicht langweilig, und wir haben noch sehr nette Gespräche bis spät in die Nacht.
Es ist immer noch sehr kalt. Zum Glück kennt Sebastians Freundin jemanden in der Nähe von Tidaholm, die ein Haus zu vermieten haben. Wir schauen uns an uns sagen uns, es wäre doch schon was Schönes, sich wieder in der Zivilisation aufzuhalten. Dorthin wollen wir morgen fahren. So lassen wir das Lagerfeuer ausbrennen und verschwinden in unsere warmen Schlafsäcke.
Am Morgen sind wieder mal die kleinen Nebelfiguren auf dem See, wieder als wenn kleine Elfen tanzen, der Kaffee duftet, aber es wird Zeit weiter zukommen. Die Straßen werden wieder größer. Beim Strecken-Routing merken wir, dass wir nicht mehr alle Straßen befahren dürfen. So fahren wir ständig Umwege, um auf interessante Pisten zu gelangen. Bei einer Pause rufen wir den Bekannten an. Das Haus ist zum Glück noch frei. Regen stellt sich wieder ein, und wir sind froh über unsere Entscheidung. Schnell kaufen wir ein und erreichen am frühen Nachmittag unser Ziel. Ein kleines gemütliches Bauerngehöft mit Ferienhaus. Eine herzliche Begrüßung, und schon knistert das Feuer im Ofen. Erst einmal duschen, mein Gott, das ist über eine Woche her, nur ein See half uns dabei, das wir uns sauberer fühlten. Was für eine Wonne, unglaublich wie man sich freuen kann.
Schon brutzelt eine in Stücke geschnittene große Lachsseite auf dem Grill. Dazu gibt es Pasta und Bier. Wir sind satt und genießen die Wärme im Haus. Wir bleiben zwei Nächte hier und lassen einfach mal die Seele baumeln.
Am ersten Fahrtag nach der Pause im warmen Haus lassen wir uns weiter südlich treiben, kommen vom Vättern weg und suchen wieder die Tiefe der Wälder. Doch hier ist die Infrastruktur schon wieder anders und belebter. Man spürt, dass es hier eine Ferienregion ist. Doch wer ist im Oktober hier noch in Schweden? Wir fahren einfach schon weniger, fühlen uns entspannt, kaufen für uns ein und suchen wieder rechtzeitig einen Holzunterstand.
So haben wir schon mal ein grobes Ziel für heute Abend. Die herbstlichen Farben der Bäume wird weniger, das Laub fällt zu Boden. Gelbe Häuser mit den gelblichen Laubfarben bringen ein besonderes Licht und eine schöne Stimmung. Irgendwo knallt es im Wald, eine Treibjagd hat begonnen! Die Straßen sind einfach zu schön, um zu verschwinden. Am Ende der Piste an der Straße wird schon alles für das Treibjagd-Ende vorbereitet, ein Feuer brennt, Zelte sind aufgebaut. Das wird sicherlich spannend. Wir sind froh, dass wir uns von dort entfernen, denn auf bleihaltige Luft haben wir keine Lust. Schon verschlingt uns der nächste Wald, ein kleines Schild weist auf einen Trollwald hin. Das klingt spannend, mal sehen was uns dort erwartet. In der Tat fühlt man sich wie ein Troll, große Steine bilden Höhlen zum durchgehen, alles wirkt urig und verwachsen. Aber einem Troll begegnen wir am Ende doch nicht.
Südlich von Gnosjö werden wir fündig mit einem Holzverschlag; man nennt sie in Schweden auch Vindskydd; unweit einer Piste direkt am See. Es dauert auch nicht lange und wir bekommen Besuch. Dieses Mal von einem deutschen Ehepaar, die in der Nähe ein Ferienhaus gemietet haben. Bei uns knistert schon wieder das Feuer. Mittlerweile sind wir sehr gut auf einander abgestimmt.
Mal sehen, wo uns unser Routing nach der letzten Nacht heute hinführt. Das Wetter ist wieder dunkelgrau. Das sieht nach Regen aus, aber vielleicht haben wir Glück, und es bleibt trocken.
Damals war ich vom Åsnen-See begeistert, der liegt ja fast auf unserer Strecke. Sebastian routet uns durch Wälder, und so gelangen wir tatsächlich an diesen See. Eine Fähre wartet schon auf uns. Ein Smalltalk mit dem Fährmann, und schon tuckern wir über den großen See. Die Schotterpisten werden hier weniger, aber morgen wartet schon die Stenaline auf uns in Göteborg. Mein Gott, wie schnell die Zeit vergeht. Doch noch sind wir unterwegs, und nehmen langsam wieder nordwestlichen Kurs Richtung Göteborg auf. Die letzte Nacht am Lagerfeuer. Es wird bestimmt wieder viele Monate dauern, bis ich solche Erlebnisse haben werde.
In Göteborg angekommen spüren wir gleich die städtische Hektik. Im Stadtmuseum besuchen wir noch die Reste des einzige in Schweden originale Wikingerschiff (jedenfalls die Reste davon) und Ausgrabungen aus der Wikingerzeit. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Wir finden noch ein nettes Café, essen eine Kleinigkeit. Wenig später schluckt uns der Bauch der Stenaline und bringt uns zurück nach Kiel.