Friaul – Durch den Hinterhof der Alpen

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Eine Zusammenarbeit mit Kai Sypniewski für das Magazin Motorrad Abenteuer Ausgabe 05 / 2018

Foto: Carsten Scheibe, Kai Sypniewski
Text: Carsten Scheibe

 

 

Endurowandern im Friaul

Jedes Jahr steigt die Vorfreude, wieder über alpine Pisten zu fahren, Höhenluft zu schnuppern und den Staub zwischen den Zähnen zu spüren. Einfach mit guten Freunden entspannt die faszinierende Berglandschaft zu genießen. Es ist ein irres Gefühl, wenn die Steine unter den Stollen nachgeben, das Vorderrad der Enduro sich seinen Weg sucht und auf Spur bleiben, das das Hinterrad sich seine Traktion sucht um in Vorwärtsbewegungen zu kommen. Wir freuen uns auf die frische Bergluft, die so ganz anders ist als die Luft bei uns Flachlandtirolern zu Hause.

„Kennt Ihr das italienische Friaul?“ fragte Kai, „Ja, da sind wir schon mal durchgefahren auf der Autobahn Richtung Süden. Das sieht da doch überall gleich aus!“ Weit gefehlt – wir lassen uns gerne eines Besseren belehren. Zusammen mit Kai und Frank war die Woche schnell geplant, und das Ziel stand fest.

In der Nähe von Ovaro finden wir eine gemütliche Unterkunft und genießen erschöpft von der langen Anreise die Bergluft. Wir betrachten glücklich unsere Enduros und freuen uns auf die nächsten Tage. In der kleinen Küche bereiten wir schnell eine italienische Pasta mit frisch gebratenen kleinen Tintenfischen zu und stoßen mit einem frischen Rosé auf bevorstehende Bergtouren an, bevor uns die Müdigkeit einholt. 

Am nächsten Morgen sind wir gut ausgeschlafen, und schwingen uns nach einem reichhaltigen Frühstück auf unsere Enduros. Frank mit seiner F800GS, Kai mit seiner F650GS Sertao und ich mit der kleinen Honda 250er CRF. Eine ungleiche Zusammenstellung, doch wir wollen keine Wettrennen in den Bergen unternehmen, sondern wollen genießen!

In Ovaro tanken wir die Maschinen voll, der Ort erwacht gerade zum Leben. Die ersten Italiener sitzen schon beim Espresso in den Bars und schauen uns hinterher, wie wir Richtung Mieli auf der SR355 Richtung Monte Crostis (2250 Meter Höhe) fahren. Kurz vor Mieli überqueren wir den Fluss und kommen in den Ort. Frank checkt die GPS Daten, unter weiter geht‘s. Frank und Kai fahren nacheinander weg, doch bei mir tut sich rein gar nichts, kein einziger Funken. Shit! Das fängt ja gut an. Kurze Zeit später ist Kai zurück, und wir haben schon die Verkleidung runter, hinter der die Batterie sichtbar wird. Wir erkennen mit dem bloßen Auge, dass der Plus Pol nicht mehr da ist, wo er hin soll. Das habe ich nun nicht vorher geprüft, doch es ist schnell behoben und schon surren die Stollen gen Himmel. Eine asphaltierte Serpentine nach der anderen, dann immer schmaler werdend, oft schlecht einsehbar. Wir sind immer auf der Hut, was von vorne den Berg herunterkommt. So schrauben wir uns höher und höher und sind unterhalb des Monte Crostis. Noch ein paar Kurven, und wir sind auf dem höchsten Punkt der Streckenführung knapp über 2000 Meter. 

Jeder kennt diese Situation, wenn ein Tier vor das Fahrzeug rennt. Der Schrecken ist groß, aber zum Glück passiert meistens  nichts. Doch bei mir ist es völlig anders als erwartet. Ein hellbraunes Puscheltier flitzt über die Strasse, bleibt plötzlich stehen und schaut mich mit seinen riesig großen Murmeltieraugen entsetzt an. Ich glaube, er sieht mich genauso an wie ich ihn. Nur seine Reaktion ist deutlich schneller, und er weicht geschickt den Stollen des Vorderrades aus. Einmal anhalten und tief Luft holen. Doch für mich und ihn ein beeindruckender Moment der Nähe mit Überraschung. Zufrieden, dass nichts passiert ist setze ich die Fahrt fort. Die anderen beiden warten an der Einfahrt zum Agriturismo Casera Chiadinis auf 1934 m Höhe. Draußen schon kommt uns der Geruch einer warmen frischen Polenta entgegen. Das Wetter ist gut, wenn auch etwas kühl, die Wolken hängen noch tief. Der Wirt bringt uns eine Brotzeit mit eigenem Käse, Wurst und frischer warmer Polenta. Was für ein Genuss, auch wenn Frank sich etwas ziert, probiert er zu mindestens. Kai und ich frönen begeistert den Köstlichkeiten direkt hier aus der Umgebung.

Der Weg zieht uns weiter, wir sind einfach zu neugierig. Die Sicht ist aber schlecht, und so kämpfen wir uns die schmale geschotterte Straße entlang Richtung Panoramica Delle Vette. Ein genialer Aussichtspunkt, hinter uns der Monte Crostis und vor uns das Tal. Ganz weit westlich am Horizont entdecken wir die Dolomiten. Unsere Region hier grenzt an die Ostalpen in Osttirol, die Grenze zu Österreich ist nicht weit. Hier lässt es sich aushalten, doch wir haben das Fahrfieber in uns und wollen weiter. Tiefe Pfützen zeugen von viel Niederschlag in der letzten Zeit. Aber da preschen wir durch, und das braune Wasser wird durch die Reifen nur so zerpflügt. Was für ein Spaß, und das schon am ersten Tag! Die drei Motorräder kommen langsam tiefer, Meter für Meter schrauben wir uns aus der baumlosen Zone runter. Zufrieden kommen wir unten in Ravascletto an und bleiben auf der SS465, erreichen wieder Ovaro. Doch wir wollen weiter, das Fieber packt uns immer noch. 

Noch taste ich mich ran, aber der IRC Reifen macht seine Sache verdammt gut auf Asphalt. Aber es ist der erste Tag und lieber alles mit Bedacht. Entlang des Flusses Delgano halten wir uns nördlich und bei Sappada führt uns eine kleine Piste über den Fluss, und wir sind wieder im Reich der losen Untergründe. Jetzt wird es anspruchsvoller. Es gilt, das Moped gut auszubalancieren. Das, was die anderen beiden mit Hubraum machen, das mache ich mit Drehzahl. Doch sie haben mich in die Mitte genommen, und so schrauben wir uns auf kurvenreichen Schotterpassagen in die Höhe. Der Untergrund ist teilweise reichlich brutal, und die Motorräder suchen sich gekonnt gesteuert ihren Weg. Oben an einer Anhöhe angekommen am Pass Della Digola wieder ein faszinierendes Panorama. Es sind einfach andere Berge. Ich kann es nicht beschreiben, die friaulischen Alpen sind anders, alles wirkt weich und sanft.

Jetzt geht es wieder bergab durch die Wälder, die Pisten sind wunderbar und lassen schon mal ein zügigeres Tempo zu. Nächstes Ziel sind die 14 Kehren, die sich wie ein Korkenzieher den Berghang entlang hinauf ziehen. Das lacht das Motorradfahrerherz, die Zufahrt und Abfahrt ist schlecht instand gesetzt, aber die 14 Kehren sind fahrtechnisch einfach nur brillant. Wir haben mächtig Spaß und das Gefühl, dass Gummi auf der Straße bleibt, auch wenn es in Wirklichkeit nicht so ist. Was für eine Hatz den Berg hoch. Das schöne ist, hier sind wir unter uns, kein anderer stört uns hier.

Die Piste zieht sich nach den Kehren. Man sieht, dass diese saniert wird entlang des Flusses Frisan. Hoch über uns thront der Croda Di Naie mit seinem 2238 Metern Höhe. Kilometer für Kilometer fressen wir uns durch das Gestein. Der Tag war lang für uns. An einem Parkplatz, an dem die SP645 in einem löchrigen Asphaltbelag übergeht, stoppen wir und stärken uns. Die nächsten Stunden soll es haariger werden und weiter geht es dann über die SP33 nach Sauris die Sora. Was ist das da unten bergab? Der wundervoll türkis-blaue Lago di Sauris lacht uns schon von weitem an. 

Unten am See folgen wir der Via delle malghe und schrauben uns auf einer schmalen Asphaltpiste den Berg hoch. Es wirkt alles noch viel lieblicher. Wir lassen die Abbiegung zu den Almen links liegen und nehmen die Piste, die uns immer höher und höher führt. Einfach imposant, was das Auge aufnehmen darf. Jeder für sich in einer anderen Welt. Vor 48 Stunden haben wir noch gearbeitet, und jetzt dürfen wir die Abenteuerluft schnuppern – unglaublich! Wir passieren eine Alm, es geht rauf und runter. Auf einmal wird es mächtig steil, die Piste geht in eine geriffelte Betonpiste über. Oben am höchsten Punkt steht ein Warnschild mit 28% Gefälle. Wow, was für eine Abfahrt. Da muss man schon mal herzhaft in die Bremse langen, um die Idealkurve zu bekommen und lassen es mächtig bergab rollen. 

Ich schließe auf Frank mit seiner 800er auf. Der kurze Radstand der 250er zeigt eindeutig seine Vorteile in den engen Kurven. Doch was ist das? Wir beide müssen heftig den Anker werfen. Vor uns rennt ein großer Hirsch mit frischem Geweih die Straße bergab entlang.  Auch hier wieder sind beide Seiten völlig überfordert, er läuft jedoch in der nächsten Kurve geradeaus hinein in das Grün. Das glaubt uns keiner.

Die Bremsen sind mächtig heiß, man spürt, dass die Bremskraft bei Verzögerung schon weicher wird. Endlich unten angekommen sind wir aber glücklich, aber auch ziemlich kaputt. 

Meine Güte, was für ein Tag, gleich der erste Tag hat uns überwältigt. Auch wenn es Sommer ist, wird es abends in den Bergen kühler. Die Bergschatten kommen schneller, die vielen über 2000 Meter hohen Berge werfen ihre Schatten und bringen die Kühle. Der Abend gleitet in Ruhe aus, und die Augenlider werden schnell schwer.

Morgens lockt die Abenteuerlust uns wieder  auf die Berge. Diesmal geht es etwas südöstlich mit Ziel zur alten Festungsruine Monte Festo in der Nähe von Interneppo. Eigentlich wollten wir eine schwierige Piste zum Monte San Simione fahren, die jedoch gesperrt ist. So nehmen wir zunächst die SR512 und später die SP36. Es ist schon ausgeschildert, und die Strecke hangelt sich zuerst noch über schlechten Asphalt am Berg entlang. So überholen wir eine Mountainbikegruppe, die vermutlich das gleiche Ziel hat. Die Strecke wird komplizierter. Die Steine sind teilweise sehr nass von kleinen Bächen die dort die Piste queren. Stück für Stück schrauben wir uns wieder höher, langsam taucht das Fort auf, die ersten schemenhaften Blicke können wir schon erhaschen. Kurz vor dem Ziel entdecken wir ein ganzes Tunnellabyrinth. 

Ja geschafft, Kai erkundet alles zu Fuß und entdeckt eine Durchfahrt durch einen Tunnel, der uns auf den höchsten Punkt bringt. Aber das ist ganz schon brenzlig. Eine Lenkerbreite, und nur ein einfacher Holzzaun, der uns vor dem Abgrund trennt. Doch da müssen wir durch, nur nicht schlapp machen. Wahnsinnig enge Kurven, bei vollem Lenkanschlag kommen wir nach oben und werden dort mit einer grandiosen Aussicht auf den Lago di Cavazzo belohnt. Entspannt sitzen wir dort noch ein Weilchen, dann hören wir von unten die Jubelrufe der MTB Gruppe, die wir vorhin passiert haben. Wir übergeben ihnen die Festung und fahren nach unten.

Erstmal Siesta machen und etwas essen. An einem See finden wir eine kleine Osteria und essen eine Kleinigkeit. Ein Stück weiter entlang der SP41 an dem Abzweig nach Cjanet beginnt der Einstieg in eine kleine Runde, die es in Sich hat. Wir schrauben  uns wieder den Berg hoch, enge Serpentinen, lange Asphaltstücke bevor es dann abenteuerlich auf eine Piste mit grünem Mittelstreifen geht. Die Seiten sind teilweise weg gebrochen, und wir hangeln an den Resten vorbei. Am höchsten Punkt angekommen, kommen wir auf eine irre Schotterpiste, die es bergab wirklich in sich hat. Man erkennt deutlich Spuren von anderen Enduros, die es dort haben richtig fliegen lassen. 

Wir geraten ins Fahrfieber und schenken uns gegenseitig nichts. Ausgetobt kommen wir schließlich ruhig und entspannt am Ausgangspunkt an – ja eine tolle Runde!

Auf dem Rückweg nach Ovaro überqueren wir den Fluss Palar, ich bekomme glatt leuchtende Augen und könnte bei den Temperaturen noch eine Abkühlung gebrauchen. Eine Abfahrt ist vorhanden, also rein ins Vergnügen. Kai schaut sich das ganze Spektakel aus einer anderen Sicht ohne Moped an. Frank kommt mit runter, spürt das die schwere 800er in die Kieselsteinen etwas schwerer zu Händeln ist. An der Stelle ist der Fluss keine 40 cm hoch und das lasse ich mir nicht nehmen mich dort durch zu stürzen. Das musste einfach sein! Der Weg führt uns zurück nach Ovaro, ein letzter Einkehrschwung auf einen Espresso an der Bar und dann verschwinden wir in unserem Reich.

Der nächste Tag ist da und wir werden heute mal den Österreichern einen Besuch abstatten und die grüne Grenze benutzen, doch zuvor  geht es Richtung Ravascletto über die Via Valcalda (SR465) nach Ligussullo, da haben wir den Einstiegspunkt. Die Piste ist gut zufahren, tolle Aussichten, ein See, hier und da pfeifen die Murmeltiere, was wollen wir mehr. Oben angekommen am Monte Paularo gesellt sich noch Gruppe von Bayern dazu, die mit ihren schweren 1200er BMW auch diesen Weg gesucht haben.  Auf dem Rückweg finden wir noch eine Quelle und nutzen die Chancen unsere Camelbags zu mit frischen Quellwasser zu füllen. Die Hatz geht weiter über die gleiche Strecke wieder runter und weiter nordöstlich und kommen so nach Paularo. Eine Engstelle zeigt uns im Dorf den Einstieg und schon schrauben wir uns mit atemberaubenden Tempo die Berge wieder hoch, an einer Abbiegung nehmen wir den alten Keltenweg Richtung Stranig Alm in Österreich. Gleich gehts heftig zur Sache, eine reizvolle Betonbrücke lädt zum befahren ein. Das Tempo wird arg reduziert, meine Güte ist das Steil und eng! Dann sind wir auch schon im Nachbarland Österreich praktisch über die grüne Grenze gekommen. 

Die Hütte hat was besonderes, eine tolle Aussicht und gute Verpflegung und ein Leitspruch muss sein: „Auf da Olm, do gibt´s ka Sünd´!„ 

Die Sünde hier sind die kulinarischen Schmankerln. Meine Güte gehts uns gut! Was für ein Zielpunkt für den heutigen Tag. Nach dem die Bäuche rund gefuttert sind fahren wir noch wieder etwas bergab Doch stellen fest, das die Strecke langweiliger wird und kehren wieder um und nehmen den Weg zurück nach Ovaro unter die Stollen.

Der folgende Tag lacht morgens schon mit Sonne, der Tag soll ruhiger angegangen werden. Morgens erst noch mal die Befahrung der 28% Steigung und Gefälle Strecke hoch zur Alm Malgha Casera Losa und am Abend eine Übernachtung im Zelt unterhalb des Monte Crostis.

Bergab am ersten Tag waren die 28% ja schon nicht schlecht, aber Bergauf ? Meine Güte die kleine Honda mit ihren 23 PS und 250ccm quält sich mit meinem massiven Gewicht da aber hoch, Kai und Frank haben da klare Vorteile mit ihren Maschinen, aber auch ich komme bald oben an. Was für ein Panorama, womit haben wir das verdient! Für uns gehts aber weiter, an einer auf dem Weg liegenden Alm kommt eine Ziegenherde über die Piste und wir müssen stoppen, vermutlich ist Melkzeit, damit Käse produziert werden kann. Eine kurze Abfahrt und dann kommt der Abzweiger zur Malgha Casera Losa. Jetzt aber wieder Asphalt und links und rechts die gelben Bergblumen und es duftet so nur nach Bergkräutern, Frank geht einen Trail mit der 800GS, muss sich aber einem Ausrutscher gefallen lassen und landet auf der Seite. Zum Glück ist nicht passiert und wir lachen nur, weil der Abstieg vom Moped doch so urig aussah. Leider hatte die Alm geschlossen und wir ziehen wieder von dannen und treten den Heimweg an. 

Die Sachen werden gepackt, die Zelte und dicken Schlafsäcke eingepackt. Treffe ich mein Murmeltier wieder vom ersten Fahrtag ? Wir fahren die Piste wieder hoch, finden ein kleines Plateau und wissen genau, hier bleiben wir.

Aber was ist mit den Temperaturen, unten im Tal noch 26°C, so haben wir jetzt hier oben auf knapp 2000 Meter nur noch 7.5°C Grad, dazu weht ein eisiger Wind. Hinter einem Felsvorsprung bauen wir die drei Zelte auf, bereiten alles für die Nacht vor. Der Fels birgt uns Schutz, ein Einheimischer sagte uns gegen Mittag noch, das wir aufpassen sollten. Warum fragte Kai, hier oben gibt es manchmal Bären. Was ?! Bären !? Das sitzt im Kopf. Die Zeit vergeht und wir kochen uns warmen Tee im Berg, die Flasche Wein bleibt lieber im Gepäck. Während der blauen Stunde hocken wir da oben und träumen nur von unserem Abenteuer und führen Lagerfeuer Gespräche. Wann hat man die Möglichkeit sowas erleben zu dürfen? Nur wir Drei im Berg.

Es wird Zeit in die Daunenschlafsäcke zu kriechen. Ich selber kann kaum einschlafen, irgendeine Unruhe ist im Körper, sind es die Gedanken an die Bären?

Morgen bruzzelt der Kocher mir einen heissen Kaffee zum aufwärmen, die anderen beiden kommen auch schnell hoch bei diesem Kaffeeduft. Und es gab keinen Bärenbesuch in der Nacht! Schnell sind fast alle Sachen gepackt, doch Franks 800er macht dicke Backen, Batterie leer! Was nun? Auf Schotter anschieben, ob das klappt ? Der Versuch scheitert, keine Überbrückungkabel dabei, leider, was nun ? 

Irgendwo schallt es aus den Morgen, das klingt doch nach einem alten Boxer! Von weiten sehen wir einen Motorradfahrer an der Hangstrasse in unsere Richtung fahren, kurz dahinter ein zweiter. Es dauert nicht lange, dann kommt Nr.3 und 4. 

Hoffnung kommt auf. Der erste fährt direkt auf uns zu und stoppt. Wir werden mit einem netten „Good Morning“ begrüßt. Während ich noch am packen bin versucht Kai sich mit seinen Englischkenntnissen. Frank ist mittlerweile schon bergab und sitzt auf seinem toten Motorrad. „Have you a starting wire? Bringt Kai heraus. „Of course, not on my bike. Gerry is the last of the group and have a jumper?“ Die Welt ist gerettet, alle trafen ein, wir gingen zu Frank runter. Die Batterie war mittlerweile Nebensache und wir fingen an uns auszutauschen. Gerry mit seinen 3 Freunden sind auf großer Alpentour, übernachten meist im Freien. 3 Wochen soll die Tour gehen, alle kommen sie aus Irland. Es gibt viel zu lachen, alles alte Boxer, das jüngste Motorrad ist 30 Jahre alt. Die 4 Iren sind Ende 60 und Anfang 70 durch die Bank durch mit gegerbten Gesichtern. Eine Weile stehen wir da und stellen fest, das wir die 800er von Frank noch starten müssen, das ist schnell getan. Der Jumper wird gelegt, ein Knopfdruck bei der alten BMW und sie brummelt, ein Knopfdruck bei der 800er und sie springt sofort an. Die Old Boys wollen weiter und wir verabschieden uns herzlichst mit einem riesigen fetten Danke Schön. 

Was für eine Aufregung am frühen morgen, die sich aber letztendlich auf eine liebenswerte Art geklärt hat. Irgendwie 4 Engel in Gelb, die zur rechten Zeit am rechten Platz waren. Die Begegnung beschäftigt uns heute noch.  Den Tag lassen wir mal ohne Motorrad ausklingen, schlendern noch mal ausgelassen in Tolmezzo um ein paar Mitbringsel für die Familien zu suchen.

Letzter Fahrtag! Schade, die Zeit läuft einfach zu schnell. Doch heute haben wir eine lange Anfahrt. Ziel ist der Piancavallo Höhenweg, doch bis dort hin sind es fast 2 Stunden Anfahrt, wir wollen aber nicht über die Schnellstrasse sondern über die Berge. Wir sehen schon das Schild bei der Anfahrt zum Passo Di Monte Rest, das der Pass gesperrt ist. Ein Autofahrer bemerkt unsere Zweifel und er sagt gelassen, versucht es einfach mal. Gesagt getan surren die Stollen wieder, die Kehren haben es in sich und es bringt riesigen Spaß, doch oben angekommen werden wir auf den Boden der Tatsachen gebracht. Vollsperrung! Die Strasse ist komplett abgesperrt mit einem mannshohen Baugatter. Kai zieht es auf uns geht zu Fuss durch. Etwas weiter unten sind die Arbeiter und sichern den Hang mit Stahlnetzen. Ein paar Worte und wir dürfen das Gatter aufschieben und passieren. Ein freundlicher Gruß von uns und schon geht es weiter. Der Skiort Piancavallo hat eine irre Zufahrt, eine Highspeedstrecke. Frank und Kai beschleunigen in der Absicht richtig Fahrspass zu haben uns sind mir entschwunden. Etwas später bin ich auch dort. Die Einfahrt zum Höhenweg ist nicht leicht zu finden. Leider ist schon sehr viel betoniert, doch wir haben trotz des bedeckten Himmels eine grandiose Sicht in die Ebene zum Mittelmeer. Die Berge sind hier vom Gestein wieder anders, typisch Dolomiten. So lassen wir uns treiben und geniessen, sehen ein Schild, das eine bewirtschafte Alm in der Nähe ist. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Es ist zwar erst 11 Uhr, aber für eine Vesper sind wir zu haben.

Wieder selbst gemachten Käse, selbst gemacht Wurst und Salami, uns wird ein Wein angeboten, doch letzteres schlagen wir freundlichst auf dem Agriturismo aus. Gut gestärkt für weitere Strecken zieht es uns eine ganze Ecke weiter zur SP5 nach Claut. 

Da gibt es auch einen Weg, der interessant und fahrtechnisch schwierig zu einer Alm hoch führt, nicht lang, aber heftig. Wieder fliegen die Steine, wenn das Motorrad Traktion sucht und sich den Berg erklimmt. Eine schwere Passage, die sehr sehr grob geschottert ist mit mindestens Tennisball groben Steinen, die lose dort herumliegen. Auch das wird gemeistert und so schrauben wir uns zum Refugio Praduti hoch. Unglaublich, was für ein Bergpanorama sich unseren Augen öffnet, an Schönheit kaum zu übertreffen.

Die letzte Rast vor der Rückfahrt nach Ovaro, der Rest der Strecke ist nicht nennenswert bevor wir wieder auf die Hauptverbindungsstrassen kommen.

Schlecht geplant sind wir mitten in den Urlaubsgebieten Richtung Cortina d’Ampezzo, die Strassen sind überfüllt mit Reiseverkehr. Staus im Tunnel nach Belluno, Baustellen und Wärme. Quält uns durch den Urlaubsverkehr in Belluno und endlich kommt die Abbiegung zur SS52, die uns nach Ovaro bringen soll. Doch wo ist Frank so plötzlich. Sein Motor ist abgestorben. Wieder ein Defekt? Frank sagt, ich kenne da aus Afrika, das alte Benzinpumpen Problem. Wir müssen einen Augenblick warten, dann läuft sie wieder. Der Sprit muss etwas abkühlen, doch um frisches kühleres Benzin zu tanken, fehlt die Tankstelle. Also Tankdeckel auf und warten. Dann springt sie tatsächlich an, so behelfen wir uns fast jede 500 Meter.

In Tolina kommt die sehnsüchtig erwartete Tankstelle, von dort aus gehts reibungslos zur Unterkunft.

Was für aufregende Tage in der Bergwelt. Am liebsten würden wir bleiben, doch die Arbeitgeber wollen uns wieder. An den Abenden beginnen wir die grobe Planung für die Tour im nächsten Jahr. Vielleicht wird es ja die Berg-Zelt-Tour, von der uns die Iren erzählt haben?

Fazit – Berge machen süchtig und wir kommen wir wieder.